Bei den „twelve fingers“

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Wenn ich eines nicht von meinem einmonatigen Aufenthalt auf Tasmanien behaupten kann dann, dass es irgendwann mal langweilig geworden wäre. Auf die „Abenteuer“ mit Steve hätte ich aber gut verzichten können.

Steve und ich werden keine Freunde mehr. Aber der Reihe nach. Das im Süden Tasmaniens liegende Hobart hat mir vom ersten Moment an gefallen, so gut, dass ich dort auch Weihnachten und Neujahr verbrachte. Hier traf ich mich mit einem meiner ehemaligen travelmates von der Westküstentour, der spontan beschlossen hatte der Hitze des Nordens zu entfliehen, in den kühlen Süden. Er kaufte sich in Hobart einen Mitsubishi Pajero und wir beschlossen mit ihm Tasmanien zu erkunden. Er taufte seinen Geländewagen auf den Namen Steve.

Am ersten Tag unserer Tour verlor Steve plötzlich an seiner Hinterachse immense Mengen einer Flüssigkeit, dessen Behebung uns einen Tag und viel Geld kostete. Am Tag nach der Reparatur ging es zum Wandern auf die wunderschöne Tasman Peninsula. Tags darauf fiel uns am Strand eine gigantisch große Rauchwolke am Himmel auf, und als wir am Nachmittag von der Halbinsel herunterfahren wollten landeten wir in eine Polizeisperre. Die Polizisten erklärten uns, dass die Straße wegen dichten Rauchs aktuell nicht passierbar sei, was sich aber in wenigen Stunden wieder ändern könnte. Daher warteten wir hier, und als es dunkel wurde bauten wir unser Zelt am Straßenrand auf und gingen schlafen. In der Nacht wurden wir von Schreien der Polizei aus dem Schlaf gerissen. Als wir aus dem Zelt krabbelten standen wir Mitten im Rauch. Man teilte uns mit, dass das Feuer auf uns zukomme und wir 25 km zurück in den größten Ort der Halbinsel fahren müssten. Wir übernachteten dort im Auto auf einem Parkplatz.

Am nächsten Morgen stellten wir fest, dass wir nicht die Einzigen waren. Der ganze Sportplatz und die anliegenden Parkplätze und Straßen waren voller Autos und in der Sporthalle schliefen Menschen auf dem Boden. Weitere drei Tage schnitten uns die Waldbrände von der restlichen Insel ab und die Sporthalle wurde der wichtigste Ort für uns. Denn hier gab es nicht nur Essen und Wasser, welches mit Booten aus Hobart gebracht wurde, sondern hier fanden auch die Versammlungen statt, bei denen wir von Polizei und Feuerwehr alle drei Stunden auf den aktuellen Stand gebracht wurden. Die hier lebenden Australier waren unglaublich freundlich und hilfsbereit und ich hatte hier das beste und abwechslungsreichste Essen meines gesamten Australienaufenthaltes. Wir verbrachten die Zeit mit Warten und halfen wo wir konnten, etwa beim Entladen der Lebensmitteltransporter, beim Spülen und Aufräumen, oder beim Belegen von Sandwiches für die Feuerwehrleute. Für uns war es daher eigentlich keine unangenehme Zeit. Eigentlich. Aber viele Menschen hier hatten ihr gesamtes Hab und Gut durch das Feuer verloren, so dass keine wirkliche Urlaubsstimmung aufkommen wollte.

Viele Leute verließen die Insel ohne ihre Autos mit Sonderfähren, aus Angst vor dem Rauch und dem nahenden Feuer. Wir warteten aber und schafften es mit einem Trick auf die Liste des ersten Autokonvois, der auch für Tage der letzte sein sollte. Die Fahrt durch die verbrannte, noch rauchende Landschaft, vorbei an den vielen zerstörten Häusern war beklemmend. Auf dem Notradiosender wurde eine Ortschaft zur schnellen Evakuierung aufgefordert, gerade als wir in den Ort reinfuhren. Eine sich nähernde Feuerwand zeigte uns auch warum.

Diesem Feuer zwar entkommen, konnten wir wegen weiterer Feuer unsere Fahrt nach Osten nicht fortsetzen und fuhren stattdessen in den Westen der Insel. Hier profitierten wir von der Hitzewelle, und hatten für diesen Teil der Insel ungewöhnlich gutes Wetter. Dies genossen wir bei den zahlreichen Wanderungen durch die grandiose Berglandschaft und den Regenwald. Wie unberechenbar das Wetter hier jedoch sein kann erlebten wir nachts. In der zweiten Nacht zerstörte ein Sturm das Gestänge unseres Zeltes, wenige Tage später regnete es so stark, dass unsere Sachen im Zelt schwammen. Darüber hinaus sanken die Temperaturen nachts teilweise auf 5 Grad ab, so dass ich mir einen weiteren Schlafsack kaufen musste und fortan in zwei Sommerschlafsäcken schlief. An der Westküste fing Steve wieder an zu mucken und ging gelegentlich aus. Auf einer Serpentinenstraße in den Bergen reagierte plötzlich das Gaspedal nicht mehr auf mein Treten und vom Motor kam ein metalisch klopfendes Geräusch. Dann ging der Motor in einer engen Aufwärtskurve aus. Und sprang auch nicht mehr an. Keiner der haltenden Autofahrer bekam Steve wieder ans Laufen, so dass ein hilfsbereiter Australier in den nächsten Ort fuhr und uns von dort einen Abschleppwagen schickte. In der Gegend hatte man kein Handyempfang. Der Mechaniker stellte in der Werkstatt einen geplatzten Kühler sowie einen überhitzten Motor fest und prophezeite Steve einen Totalschaden. Zur seiner Überraschung sprang er aber nach ein paar Stunden wieder an. Er blieb dennoch bei seiner Diagnose und nachdem der Kühler notdürftig repariert (mehr war außerhalb von Hobart nicht möglich), war setzten wir unsere Fahrt an die Ostküste fort. Hier sah es vollkommen anders aus, weiße Sandstrände, blaues und türkisfarbenes Meer, was für mich zum Schwimmen jedoch zu kalt war. Da merkt man dann doch die Nähe zur Antarktis. Leider ging Steve aber immer häufiger aus und nachdem wir dann auch noch einen Platten hatten beschloss sein Besitzer ihn möglichst schnell nach Hobart in eine Werkstatt zu bringen. Wir brachen daher unsere Tour ab. Schnell kamen wir in Hobart aber nicht an, da die letzten 200 km daraus bestanden 10 Minuten zu fahren und anschließend 1 Stunde zu pausieren. Dies kostete uns zwei Tage und viele Nerven. Die Werkstatt in Hobart konnte jedoch nur noch den Tod von Steve feststellen, welcher sich gerade auf seiner letzten Reise befindet, in die Autopresse. Er wurde nur 23 Jahre alt.

Trotz Feuer und der „Abenteuer“ mit Steve hat mir Tasmanien sehr gut gefallen und war der gelungene Abschluss von knapp fünf Monaten Australien. Eine Zeit in der ich viel gesehen und erlebt habe.

Jetzt bin ich in Neuseeland und freue mich auf die nächsten Erlebnisse, die aber schon vor meinem Abflug begannen ….

Ein Gedanke zu „Bei den „twelve fingers“

  1. Lieber Steve, bevor wir Dich endgültig verabschieden noch ein paar offene Worte. Das Leben ist nicht immer fair. Da hättest Du gerne Deinen Lebensabend in einer dichten Scheune auf einer schönen Farm verbracht, wo der Besitzer einmal in der Woche gemütlich in das nächste Dorf zum Einkauf fährt. Stattdessen fällst Du diesem Germanen in die Hände, der natürlich nur Autobahn kennt und dann bei Tempo 130 denkt, das seien km/h und nochmal fest aufs Gaspedal tritt. Und auch keine Gnade kennt, als der Rauch Deine Atemwege verstopft. Ruhe in Frieden, Steve.

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